Frohhalme

Allgemein

Anfang August – kurz vor Krumpfz‘ viertem Geburtstag – hatte ich das erste Entwicklungsgespräch im Kindergarten. Wobei man es eigentlich besser Defizitgespräch hätte nennen sollen, denn die Erzieherin kam ziemlich schnell auf all das zu sprechen, was Krumpfz noch nicht kann. So erklärte sie mir lang und breit, welche Laute mein Sohn nicht recht artikulieren könne: manchmal das G, das K, das P, das ST, das SCH… Am Ende riet sie mir gar, mit Krumpfz zum*r Logopäd*in zu gehen.

Was die Erzieherin nur am Rande erwähnte, war, dass Krumpfz dafür Wörter wie „Gleisschotterbettungsreinigungsmaschine“ oder „Compsognathus“ mühelos aufsagen kann, während ich diese als Erwachsene immer wieder vergesse und neu nachschlagen muss (auch für diesen Text). Ist das nicht krass? Und überhaupt finde ich, dass es eine enorme Leistung ist, innerhalb von drei Jahren statt einzelner Wörtern wie „Mama“, verbundenen mit einer Geste des Zeigefingers, Sätze wie „Nein, Mama, das ist kein Rübenroder, das ist ein Kartoffelvollernter, da bin ich mir ganz sicher.“ einfach mal so rauszuhauen.

Mal davon ab verrät Krumpfz‘ sprachliche Entwicklung ganz viel über seine ersten Lebensjahre. „Mama“ konnte er schon mit etwas mehr als elf Monaten sagen – und bis heute ist Krumpfz mein größter Fan (was mir einerseits natürlich schmeichelt, mich andererseits aber auch ganz schön beansprucht!). Dass nach „Baba“ als zweitem Wort gleich „Nana“ (Sterne) kam, lag dann an der Vorweihnachtszeit, in der Krumpfz weiter fleißig sprechen übte und wir täglich durch die von Sternen erleuchtete Altstadt liefen. Früh konnte er zudem „Badda“ (damals als Synonym für Bagger, Traktor und Radlader) sagen, was sich bis heute in einer wirklich sehr leidenschaftlichen Beschäftigung mit allen Arten von Fahrzeugen widerspiegelt. Auch „Dendöng“ (für Dingdong/Glocke) und „Tüta“ (für Tatütata und alle Einsatzfahrzeuge) gehörten zu seinen ersten 20 Wörtern – weil wir einerseits in der Nähe mehrerer Kirchen, andererseits an einer Durchgangsstraße wohnen. Im Frühjahr 2019 kamen zudem während unseres Mallorca-Urlaubs „Ame“ (für die Ameisen auf der Terrasse unserer Finca) und Beilme (für Palme) unter die Top 30 seiner ersten Wörter.

Inzwischen kann er all die oben genannten Wörter (tragischerweise bis auf Bagger) natürlich fehlerfrei aussprechen und statt „Tüta“ bekommen wir Eltern (ungefragt) einen detaillierten Live-Bericht von unserem Balkon, von wo aus Krumpfz die Einsatzkräfte sichtet: „Das war eben der Einsatzleitwagen der Feuerwehr! Und jetzt kam gerade das Löschgruppenfahrzeug, Mama…MAAAMAAA! Hast du das gehört?“ Deshalb mache ich mir keine Sorgen, dass das mit dem G, K und Co. auch noch klappen wird.

Bis dahin können wir Eltern oft einfach nur über die Krumpfz‘ Sprache schmunzeln. Wenn er zum Beispiel merkt, dass er etwas gesagt hat, was er gar nicht so meint oder was falsch ist, kommentiert er das immer mit einem „Oh man, Mama/Papa, ich hab mich versagt!“. Ist das nicht eine viel schönere Bedeutung für das Versagen? Weniger final und schicksalshaft?

Oder wie wäre es mit „Papa, kannst du mir das Brot lambieren?“? Das verspricht doch gleich kulinarische Höhenflüge mit Hochprozentigem und Röstaromen und verschleiert gekonnt die Tatsache, dass hier eigentlich nur eine Brotscheibe in zwei Hälften geteilt werden soll…

In unseren Familienwortschatz ist außerdem die Frage „Alles dut?“ eingegangen. Wenn Krumpfz‘ Papa oder ich schon früh arbeiten gehen und der jeweils andere Krumpfz in den Kindergarten bringt, kommt vom bereits für Geld Arbeitenden spätestens um neun die Nachfrage „Alles dut?“. Dann ist klar, dass es um unseren Sohn und sein morgendliches Ankommen im Kindergarten geht, das jeden Tag irgendwas zwischen Tragödie und Komödie sein kann.

Besonders gefällt uns Eltern auch, dass Krumpfz eben nicht „Strohhalm“, sondern „Frohhalm“ sagt. Das ist eine wunderbare Wortneuschöpfung, die von der Redaktion des Dudens doch mal als fröhliche Alternative zum ollen Röhrle in Erwägung gezogen werden sollte. Denn wer kann schon traurig oder missgestimmt an der Bar eines Hotels sitzen, wenn der Cocktail mit einem „Frohhalm“ serviert wird?

Ein großer deutscher Süßwarenkonzern hatte witzigerweise eine ganz ähnliche Idee. Und so fand Krumpfz‘ Papa vor ein paar Monaten tatsächlich „Frohhalme“ im Drogeriemarkt. Haben wir gelacht, als er damit nach Hause kam! Gegessen haben wir die Frohhalme dann allerdings ohne Krumpfz – sie schienen uns für einen damals noch 3,5-Jährigen dann doch etwas zu chemisch. Die nächste Packung heben wir aber für ihn auf – für die Zeit, wenn er auch einfach „Strohhalme“ sagt. Damit uns die „Frohhalme“ nicht ganz abhanden kommen.

PS: Ich habe dann übrigens noch mit Krumpfz‘ Kinderärztin telefoniert. Vierjährige müssen noch kein G, K, P, ST oder SCH aussprechen können. Darauf einen Frohhalm!

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