Bad-daaaaa!

Allgemein

Früher (also in der Zeit vor Krumpfz) dachte ich immer, dass die Interessen von Jungs (und Mädchen) nicht veranlagt, sondern antrainiert sind. Sprich: Ist der Vater ein Fan schneller Autos, wird es auch der Sohn. Ich bin dementsprechend darauf eingestellt, dass Krumpfz irgendwann eine Vorliebe für Formel-1-Rennen entwickeln wird. Schließlich habe ich in den letzten 16 Jahren oft genug ganze Sonntagnachmittage vor dem TV verbracht, um mit meinem Mann Michael Schumacher (den ich nie mochte) und Sebastian Vettel (naja, schon eher) beim sinnlosen Rundendrehen auf Asphalt-Schleifen zuzusehen.

Nicht vorbereitet war ich hingegen auf die Leidenschaft meine Sohnes, die ihren Anfang im letzten Oktober nahm und im letzten Monat ihren bisherigen Höhepunkt erreichte: die Leidenschaft für Bagger. Denn niemand – wirklich niemand! – in unserer Familie hat sich bisher als passionierter Baumaschinen-Fan zu erkennen gegeben. Und ich, die im platten Niedersachsen zwischen Heide, Weiden und Feldern aufgewachsen bin, hatte bis vor kurzem noch nicht einmal eine Ahnung, welche schweren Fahrzeuge überhaupt auf Baustellen zu finden sind (bei landwirtschaftlichen Maschinen verfüge ich immerhin über solide Grundkenntnisse!).

Umso erstaunter war ich, als Krumpfz Anfang Februar mit großer Begeisterung auf die Baustelle direkt bei uns um die Ecke reagierte. Vorbei waren die Zeiten, in denen wir relativ zügig an Baggern, Radladern, Kipplastern und Rüttelplatten vorbeigehen konnten. „Dahin!“, kommandierte er mich aus seinem Buggy heraus in die Ecke der Baustelle, die ihn am meisten interessierte. Meist stand dort der große Radbagger, der ab und zu Asphalt aufriss und Erde von A nach B schaufelte. Große Begeisterung löste auch der Radlader auf, der täglich durch die Baustelle fuhr und – in meinen Augen völlig willkürlich – Steine und Sand bewegte. „Daaaaa!“, rief Krumpfz dann aufgeregt und zeigte mit seinem Zeigefinger in Richtung des vorbeidröhnenden Gefährts.

Uns Eltern verwunderte es daher wenig, dass in der Liste der Wörter, die Krumpfz in dieser Zeit lernte, das Wort „Badda“ ganz weit oben stand – wobei „Badda“ nicht nur „Bagger“, sondern auch „Radlader“ und „Traktor“ bedeuten kann. Kam ich nachmittags in die Kita, so begrüßte mich mein Sohn mit einem langgezogenen „Bad-daaaa!“, um mir gleich klarzumachen, wohin uns unser erster Weg nach der Kita führen sollte. Und so wurde es zu unserer täglichen Routine, auf dem Weg nach Hause bei der Baustelle vorbeizuschauen. Wir verfolgten gemeinsam, wie der kleine rote Raupenbagger mit einem Stemmmeißel den Asphalt aufbrach, wie die Bauarbeiter fachsimpelnd herumstanden, dann etwas abmaßen und Rohre verlegten, wie der Radlader durch die Baustelle fuhr und Kies ablud, wie der Gehweg gepflastert und die Straße wieder asphaltiert wurde. Einen Monat lang verging fast kein Tag ohne einen Ausflug zum „Badda“ (wobei die Baustellenbesuche am Wochenende immer etwas langweilig waren, weil sich dort nichts bewegte).

Nach und nach kannte ich auch die Gesichter aller Bauarbeiter, wusste, wer den Radlader fahren konnte und wer den Bagger bediente. Der Baggerfahrer begrüßte uns irgendwann immer, wenn wir kamen. „Wir sind’s wieder“, gab ich dann zurück, worauf er lachen musste. Darüber hinaus wurde die Baustelle zum Treffpunkt mit Müttern anderer Jungs in Krumpfz‘ Alter. So begegnete ich einmal einem Mutter-Sohn-Duo aus meinem Rückbildungskurs, ein anderes Mal ging ich zusammen mit Lilo* und ihrem Sohn Tom Baggergucken. Und wiederum an einem anderen Tag kam die Besitzerin des Stehcafés, das ich seit meiner Elternzeit regelmäßig frequentiere, an der Baustelle vorbei, klopfte mir, die ich mit Krumpfz auf dem Arm am Bagger stand, auf die Schulter, und sagte: „Ach, das ist DIE Phase.“ „Geht die denn auch vorbei?“, fragte ich mehr im Scherz als ernstgemeint. „Ja“, lachte sie und deutete auf ihren Sohn im Grundschulalter. „Aber es dauert!“

Doch Krumpfz‘ Bagger-Leidenschaft beschränkte sich nicht nur auf die Baustelle. In der örtlichen Buchhandlung zog er zuverlässig ein Fahrzeug-Buch nach dem anderen aus dem Regal, um es sich anzusehen. Also kaufte ich Kindersachbücher über Baustellen und Bagger, Kräne und Planierraupen, um Krumpfz‘ Passion für schwere Maschinen zu begegnen und mir gleichzeitig das nötige Fachvokabular anzueignen. Schließlich wollte ich die Maschinen auf der Baustelle, auf die Krumpfz mit großer Neugier zeigte, auch benennen können!

Daneben gewann ein kleiner, abgewetzter Spielzeugbagger aus Metall zeitweise eine große Bedeutung für Krumpfz. Er hatte ihn im hiesigen Second Hand-Laden entdeckt, als ich dort einige zu klein gewordene Klamotten abgegeben hatte. Eigentlich war ich dagegen, dass er das – in meinen Augen – Schrottding mit nach Hause nahm, aber er weigerte sich standhaft, es dort zu lassen. Als das die Verkäuferin sah, schenkte sie Krumpfz den Miniatur-Bagger spontan. Ab da waren Krumpfz und sein neustes Spielzeug für ein paar Tage unzertrennlich – am gleichen Abend schlief er sogar mit ihm in der Hand ein.

Heute nun waren wir wieder auf der Baustelle (wie das klingt!). Wir waren spät dran, denn es hatte auf dem Weg von der Kita dorthin in Strömen gegossen und wir hatten uns in der Buchhandlung (wo wir ein weiteres Fahrzeuge-Buch kauften) unterstellen müssen. Aus meiner einmonatigen Erfahrung wusste ich, dass wir damit die Bauarbeiter nicht mehr antreffen würden – sie machten freitags immer um drei Uhr Feierabend. Doch statt einer verwaisten Baustelle wie in den Wochen davor fanden wir nur noch den kleinen, roten Raupenbagger vor, der einsam am Straßenrand geparkt war. Die Straße war wieder komplett, der Gehweg fertig gepflastert. Kurzum: Die Baustelle war so gut wie Geschichte.

„Da!“, rief Krumpfz und manövrierte mich in Richtung des letzten Baggers. Mir wurde ganz wehmütig ums Herz, als wir uns die Maschine noch einmal genau anschauten. Denn ich wusste – im Gegensatz zu Krumpfz – dass auch diese bald weg sein würde. Ich versuchte, Krumpfz zu erklären, dass die Bauarbeiten fertig seien und dass der Bagger nun nicht mehr gebraucht würde. Krumpfz nahm es mit Fassung, winkte dem Bagger noch kurz zu und gab mir dann zu verstehen, dass wir nun auch nach Hause gehen könnten.

Jetzt hoffe ich, dass bald irgendwo anders in unserer Stadt eine neue Baustelle entsteht, damit wir unsere (tatsächlich auch von mir liebgewonnenen) Bagger-Besichtigungen fortsetzen können. Über sachdienliche Hinweise würde ich mich freuen! 🙂

*Die im wahren Leben einen schöneren Namen hat.

4 Gedanken zu “Bad-daaaaa!

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