Frohhalme

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Anfang August – kurz vor Krumpfz‘ viertem Geburtstag – hatte ich das erste Entwicklungsgespräch im Kindergarten. Wobei man es eigentlich besser Defizitgespräch hätte nennen sollen, denn die Erzieherin kam ziemlich schnell auf all das zu sprechen, was Krumpfz noch nicht kann. So erklärte sie mir lang und breit, welche Laute mein Sohn nicht recht artikulieren könne: manchmal das G, das K, das P, das ST, das SCH… Am Ende riet sie mir gar, mit Krumpfz zum*r Logopäd*in zu gehen.

Was die Erzieherin nur am Rande erwähnte, war, dass Krumpfz dafür Wörter wie „Gleisschotterbettungsreinigungsmaschine“ oder „Compsognathus“ mühelos aufsagen kann, während ich diese als Erwachsene immer wieder vergesse und neu nachschlagen muss (auch für diesen Text). Ist das nicht krass? Und überhaupt finde ich, dass es eine enorme Leistung ist, innerhalb von drei Jahren statt einzelner Wörtern wie „Mama“, verbundenen mit einer Geste des Zeigefingers, Sätze wie „Nein, Mama, das ist kein Rübenroder, das ist ein Kartoffelvollernter, da bin ich mir ganz sicher.“ einfach mal so rauszuhauen.

Mal davon ab verrät Krumpfz‘ sprachliche Entwicklung ganz viel über seine ersten Lebensjahre. „Mama“ konnte er schon mit etwas mehr als elf Monaten sagen – und bis heute ist Krumpfz mein größter Fan (was mir einerseits natürlich schmeichelt, mich andererseits aber auch ganz schön beansprucht!). Dass nach „Baba“ als zweitem Wort gleich „Nana“ (Sterne) kam, lag dann an der Vorweihnachtszeit, in der Krumpfz weiter fleißig sprechen übte und wir täglich durch die von Sternen erleuchtete Altstadt liefen. Früh konnte er zudem „Badda“ (damals als Synonym für Bagger, Traktor und Radlader) sagen, was sich bis heute in einer wirklich sehr leidenschaftlichen Beschäftigung mit allen Arten von Fahrzeugen widerspiegelt. Auch „Dendöng“ (für Dingdong/Glocke) und „Tüta“ (für Tatütata und alle Einsatzfahrzeuge) gehörten zu seinen ersten 20 Wörtern – weil wir einerseits in der Nähe mehrerer Kirchen, andererseits an einer Durchgangsstraße wohnen. Im Frühjahr 2019 kamen zudem während unseres Mallorca-Urlaubs „Ame“ (für die Ameisen auf der Terrasse unserer Finca) und Beilme (für Palme) unter die Top 30 seiner ersten Wörter.

Inzwischen kann er all die oben genannten Wörter (tragischerweise bis auf Bagger) natürlich fehlerfrei aussprechen und statt „Tüta“ bekommen wir Eltern (ungefragt) einen detaillierten Live-Bericht von unserem Balkon, von wo aus Krumpfz die Einsatzkräfte sichtet: „Das war eben der Einsatzleitwagen der Feuerwehr! Und jetzt kam gerade das Löschgruppenfahrzeug, Mama…MAAAMAAA! Hast du das gehört?“ Deshalb mache ich mir keine Sorgen, dass das mit dem G, K und Co. auch noch klappen wird.

Bis dahin können wir Eltern oft einfach nur über die Krumpfz‘ Sprache schmunzeln. Wenn er zum Beispiel merkt, dass er etwas gesagt hat, was er gar nicht so meint oder was falsch ist, kommentiert er das immer mit einem „Oh man, Mama/Papa, ich hab mich versagt!“. Ist das nicht eine viel schönere Bedeutung für das Versagen? Weniger final und schicksalshaft?

Oder wie wäre es mit „Papa, kannst du mir das Brot lambieren?“? Das verspricht doch gleich kulinarische Höhenflüge mit Hochprozentigem und Röstaromen und verschleiert gekonnt die Tatsache, dass hier eigentlich nur eine Brotscheibe in zwei Hälften geteilt werden soll…

In unseren Familienwortschatz ist außerdem die Frage „Alles dut?“ eingegangen. Wenn Krumpfz‘ Papa oder ich schon früh arbeiten gehen und der jeweils andere Krumpfz in den Kindergarten bringt, kommt vom bereits für Geld Arbeitenden spätestens um neun die Nachfrage „Alles dut?“. Dann ist klar, dass es um unseren Sohn und sein morgendliches Ankommen im Kindergarten geht, das jeden Tag irgendwas zwischen Tragödie und Komödie sein kann.

Besonders gefällt uns Eltern auch, dass Krumpfz eben nicht „Strohhalm“, sondern „Frohhalm“ sagt. Das ist eine wunderbare Wortneuschöpfung, die von der Redaktion des Dudens doch mal als fröhliche Alternative zum ollen Röhrle in Erwägung gezogen werden sollte. Denn wer kann schon traurig oder missgestimmt an der Bar eines Hotels sitzen, wenn der Cocktail mit einem „Frohhalm“ serviert wird?

Ein großer deutscher Süßwarenkonzern hatte witzigerweise eine ganz ähnliche Idee. Und so fand Krumpfz‘ Papa vor ein paar Monaten tatsächlich „Frohhalme“ im Drogeriemarkt. Haben wir gelacht, als er damit nach Hause kam! Gegessen haben wir die Frohhalme dann allerdings ohne Krumpfz – sie schienen uns für einen damals noch 3,5-Jährigen dann doch etwas zu chemisch. Die nächste Packung heben wir aber für ihn auf – für die Zeit, wenn er auch einfach „Strohhalme“ sagt. Damit uns die „Frohhalme“ nicht ganz abhanden kommen.

PS: Ich habe dann übrigens noch mit Krumpfz‘ Kinderärztin telefoniert. Vierjährige müssen noch kein G, K, P, ST oder SCH aussprechen können. Darauf einen Frohhalm!

Lembi und Wembi

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Als Weihnachten 2020 näher rückte, gab es für Krumpfz keinen wichtigeren Wunsch als den gelben Bagger und das Förderband (mit Kompaktlader!) von Playmobil. Uns Eltern überraschte das nicht, der Wunschzettel war die logische Konsequenz einer gut zweijährigen Obsession mit aller Art von Fahrzeugen. Also kaufen wir – Pardon! – besorgte das Christkind pünktlich zu Heiligabend eben diese beiden Wunschobjekte.

Und dann passierte es: Kurz nach Weihnachten, als wir gerade meine Eltern im Norden besuchten, verlor Krumpfz jegliches Interesse an seinen (extra durch ganz Deutschland transportierten!) Baustellenfahrzeugen!

Zuerst fiel es uns allen gar nicht auf, was wohl auch daran lag, dass mein Vater Krumpfz Unmengen meines alten Spielzeugs als attraktive Alternative zum bekannten Baustellenbestand präsentierte. Darunter auch: ein alter Playmobil-Rettungshubschrauber, ein Playmobil Rettungswagen und diverse Playmobil-Figuren samt kleinteiligen Krams, die ich allesamt erstmal mit Seifenlauge von ihrer Staubschicht befreien musste. Besonders angetan hatten es Krumpfz das Picknick-Besteck und das OP-Besteck, die er mit filigranen Fingern in den Bollerwagen räumte.

Wie es der Zufall so wollte, landete ausgerechnet die Tüte mit dem Playmobil-Kleinkram vor der Abreise in Krumpfz‘ Reisetasche und beim Auspacken hier zu Hause erstmal auf dem Schrank in meinem Arbeitszimmer. „Was sollen wir denn damit? Das schicke ich wieder zu meinen Eltern zurück!“, dachte ich mir und vergaß die Tüte…

… bis zu einem Nachmittag irgendwann im Januar, als mich der Corona-Blues plagte, weil das Wetter mies und Krumpfz zu nichts zu bewegen war. Also holte ich mit der unbestimmten Hoffnung auf etwas Abwechslung die Tüte hervor und ließ Krumpfz den Inhalt auf unserem Teppich ausschütten. Und siehe da: Plötzlich waren wir beide darin vertieft, für eine Playmobil-Frau namens Sabine und ihre Kinder (Tina und Annika) ein Picknick auszurichten. Leider gab es für die drei weder Möbel noch Essen, so dass als Picknickdecke eine Holzpalette und als Essen ein Korb Kartoffeln (beides aus Traktor-Zeiten) herhalten mussten. Krumpfz gefiel das neue Szenario trotzdem sehr und da das Wetter keine Besserung versprach, orderte ich online noch am selben Tag ein Campingplatz-Set.

Mit dem Campingplatz-Set ging es dann so richtig los: Die Figuren bekamen von uns allesamt Namen. Dabei war ich als Ideengeberin erstmal für die Menschen zuständig (Thomas, Leni und Tim) und Krumpfz für die Tiere. So bekamen die dekorativen Eichhörnchen die Namen Lembi und Wembi. Leider hatten die sechs Figuren immer noch nichts Anständiges zu essen: Es gab nur Würstchen und Ravioli aus der Dose – oder eben einen Korb Kartoffeln. Deshalb (und wegen des langen Winters!) musste noch ein Marktstand her, mit dem Lena, Matze und Wombi, die schwarze Katze, zusammen mit jeder Menge Gemüse (endlich gesundes Essen!) bei uns Einzug hielten. Irgendwann kam noch ein von mir vor ewigen Zeiten bei einer Milka-Rabatt-Aktion erstandener Junge (Tom) samt Hund (Lassie) dazu. Lassie wurde aber bald durch einen größeren Hund seines Namens beraubt und hieß fortan Tamo, bevor Krumpfz ihn (in Erinnerung an den Hund seiner Tagesmutter) in Tiffi umbenannte.

Letzte Woche hatte meine Mutter schließlich Mitleid mit Krumpfz, der in Corona-Quarantäne war, und schickte einen roten SUV mit Herrn Lambi und Lamma im Cockpit. Und irgendwo hatten wir doch noch eine kleine weiße Katze zurückgelegt? Ah, da war sie ja! Hallo, Lümbi!

von links nach rechts: Lena, Leni, Lembi, Wembi, Wombi, Lümbi, Herr Lambi und Lamma

Tatsächlich habe ich längst den Überblick über alle Namen verloren. Bei den Playmobil-Menschen ist das auch nicht so wichtig – mit denen spielt Krumpfz kaum. Seine Helden sind die Tiere: Lembi und Wembi sind sehr versiert darin, die große Flughafen-Feuerwehr zu fahren, Lassie und Tiffi steuern souverän den Kipplaster oder SUV und Wombi habe ich zuletzt viel den Feuerwehr-Hubschrauber fliegen sehen. Ich muss währenddessen immer die Playmobil-Menschen spielen, die darüber entzückt sind, was die Tiere alles Tolles können („Was sagen die Campingbesitzer dann?“).

Lena, Leni, Thomas, Tim und Herr Lambi haben es auch sonst schwer bei Krumpfz: Ständig verwüsten die Tiere ihren Campingplatz und den Marktplatz, fahren mit ihren Fahrzeugen weg und lassen sie allein zurück. Trotzdem geht es ihnen noch vergleichsweise gut: Die meisten Figuren (auch Picknick-Sabine und Markt-Matze!) fristen ein trauriges Dasein in einer großen Kiste. Vor allem die 14-köpfige Feuerwehrmannschaft um Feuerwehrfrau (!) Sam wartet seit Monaten vergebens auf einen Einsatz.

Was Krumpfz nicht weiß: Im Internet habe ich vor einem Monat günstig und gebraucht einen großen Playmobil-Bauernhof erstanden. Den soll er nun zu Ostern bekommen. Und was soll ich sagen: Ich freue mich schon auf die Schweine Limbi und Wimbi, die Kühe Lumbi und Wumbi und die Hasen Lömbi und Wömbi.

„Wenn Corona vorbei ist…“

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Vor fast genau einem Jahr saßen Krumpfz, sein Papa und ich im ICE nach Hannover. Wir waren (wie die Jahre zuvor auch) auf der Flucht vor der schwäbischen Fasnet, die in unserer Straße vor allem sechs schlafgestörte Nächte bedeutet, weil die ganze Kleinstadt um uns herum im närrischen Chaos versinkt. Für diese Zeit gewährten uns meine Eltern Asyl in der norddeutschen Tiefebene, wo man sich – schon allein durch die trockene Mentalität der Einheimischen bedingt – vor überschwänglichem Faschingsfirlefanz nicht zu fürchten braucht.

Tatsächlich erinnere ich mich in der Retrospektive vor allem an zwei Dinge unserer Fasnetsflucht: an eine Menge Regen und einen Tagesausflug nach Hamburg (auch im Regen). Ich weiß noch, wie ich allein mit Krumpfz im Buggy an den Landungsbrücken gegen Wind und einsetzenden Regen anschob, weil Krumpfz unbedingt noch ein zweites Mal das Feuerwehrboot, das dort vor Anker lag, anschauen musste (Der Rest der Familie saß da längst in einem Café und wärmte sich bei Tee und Scones auf.) Und ich erinnere mich noch genau daran, wie wir zu fünft durch’s Halbdunkel des Miniaturwunderlands schlenderten, von einer winzigen Welt zur nächsten, immer auf der Suche nach einem Platz zwischen den vielen anderen Besuchern, die auch aus der ersten Reihe auf Flughafen, Elbphilharmonie, Las Vegas oder Feuerwehreinsatz blicken wollten.

Heute kann ich mir gar nicht mehr richtig vorstellen, wie sich das eigentlich anfühlt, zwischen so vielen Menschen zu sein – wenn ich an den Tag in Hamburg zurückdenke, macht sich eine Mischung aus Wehmut und Schaudern in mir breit. Denn wenn wir in den letzten zwölf Monaten etwas lernen mussten, dann ist es Abstand zu halten – Abstand zu Fremden, Abstand zu Freunden, Abstand zu unseren Liebsten. Am Anfang der Coronavirus-Pandemie war das irgendwie noch aufregend, unheimlich und surreal. Am Anfang war bald danach Sommer und wir konnten über weite Strecken so tun, als wäre das Virus weit weg. Am Anfang dachten wir noch, dass bestimmt bald wieder alles vorbei ist. Am Anfang hat Krumpfz das alles noch gar nicht richtig verstanden.

Nach einem Jahr ist das anders. Nach einem Jahr ist wieder Winter. Nach einem Jahr ist wieder Lockdown. Nach einem Jahr ist von meiner sonst recht robuste Resilienz nur noch ein wackeliger Wille zum Weitermachen übriggeblieben. Nach einem Jahr fehlt mir so viel, dass ich nicht weiß, womit ich die Liste anfangen sollte. Nach einem Jahr sagt Krumpfz plötzlich: „Wenn Corona vorbei ist…“

„Wenn Corona vorbei ist, fahren wir mit Oma und Opa wieder nach Hamburg.“

„Wenn Corona vorbei ist, möchte ich Tante Gabi zu Hause besuchen und meine Brio-Bahn bei ihr aufbauen.“

„Wenn Corona vorbei ist, möchte ich Elli* zu Hause besuchen.“

„Wenn Corona vorbei ist, möchte ich mit Tom* an den Märchensee gehen.“

„Wenn Corona vorbei ist, gehen wir wieder in den Zoo.“

Die Vervollständigung des Satzes tröstet Krumpfz, der inzwischen versteht, dass da draußen eine Krankheit ist, an der sich viele Menschen anstecken. Er nimmt es hin, dass wir Eltern überall in der Öffentlichkeit eine medizinische Maske tragen. Er akzeptiert, dass er seine Großeltern im Norden gerade nicht besuchen kann. Er versteht, dass er seine Großeltern aus dem Süden nur bei gutem Wetter draußen treffen kann (und in diesem Winter gab es nicht viele Tage dieser Art). Er scheint unberührt, wenn seine Kindergartengruppe von jetzt auf gleich geschlossen und für 10 Tage in Quarantäne geschickt wird, weil sich wieder zwei aus der Gruppe mit dem Virus infiziert haben.

Mich macht der Satz dagegen traurig, weil er mir zeigt, was Krumpfz alles verpasst. Dabei hat er – haben wir – noch Glück: Weil wir Eltern beide arbeiten, darf er dieses Mal trotz Lockdown in die Notbetreuung im Kindergarten gehen. So hat er immerhin feste soziale Kontakte außerhalb unserer eigenen vier Wände. Gleichzeitig heißen Notbetreuung im Kindergarten und meine Arbeit aber auch, dass wir kaum jemanden treffen können. Zu groß ist die Gefahr, dass wir aus Kindergarten oder Schule das Virus mitbringen und andere anstecken. Ob unsere Freundschaften das aushalten, bis Corona vorbei ist?

Der einzige Lichtblick ist unser „Stückle“, das wir letztes Jahr im Juni gepachtet haben. Für mich ist es ein „Stückle vom Glück“, denn eingebettet zwischen Feldern, Büschen und Wiesen und weit weg vom nächsten Dorf ist die Pandemie dort unsichtbar. Dort gibt es keine Menschen mit Masken, keine Schilder mit Abstandsregeln – und nicht mal Quarantäne. Denn weil das Stückle uns überlassen ist, dürfen wir selbst im Isolierungsfall noch dorthin. Erst letztes Wochenende sind wir mit Krumpfz (der gerade wegen neuer Corona-Fälle im Kindergarten mal wieder in Qurantäne war) bei Minusgraden und Schneewehen zu unserem Stückle rausgefahren, um wenigstens ein bisschen frische Luft zu kriegen. Und auch heute waren Krumpfz und ich – dieses Mal bei 11 Grad plus – draußen auf der Wiese und haben gematscht, gebuddelt und am Ende sogar ein Wildblumenbett angelegt.

Nur manchmal holt uns die Coronakrise selbst dort wieder ein: „Wenn Corona vorbei ist, machen wir hier draußen ein großes Sommerfest mit all unseren Freunden“, sagen mein Mann und ich dann und müssen bei dem Gedanken daran dann doch auch ein wenig lächeln.

* die in Wirklichkeit beide anders heißen

Der freiberufliche Traktorfahrer

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Als Krumpfz‘ noch zur Tagesmutter ging, verging kein Tag ohne Bauer Toni. Bauer Toni ist der Nachbar von Krumpfz‘ Tagesmutter und sein Hof liegt gegenüber ihres Hauses. Bauer Toni hat Pferde, Kühe, einen neuen, roten Massey Furgson, einen alten roten Schlepper – und offenbar so viele Felder zu bestellen, dass kaum ein Tag bei der Tagesmutter verging, beim dem Krumpfz‘ nicht von der Abfahrt des Bauern auf seinem Massey Furgson (samt diverser Anhängsel) berichtete. Selbst jetzt, wo Krumpfz schon in den Kindergarten geht, winkt er Bauer Toni noch immer fröhlich zu, wenn wir an seinem Bauernhof vorbeifahren. Nicht, dass Bauer Toni davon wüsste – das macht aber Krumpfz nichts aus. Er winkt.

Dementsprechend hat Krumpfz‘ Berufsfindungsprozess nun ein abruptes Ende gefunden: „Wenn ich groß bin, werde ich Traktorfahrer!“, sagt Krumpfz nun immer, wenn es um sein Wachstum geht. Wobei Großsein hier bedeutet, so groß wie sein Opa Micha zu werden.

Am liebsten würde Krumpfz aber sofort Traktorfahrer werden und Bauer Toni auf den Feldern helfen. Neulich fragte er mich deshalb darüber aus, was man eigentlich braucht, um Traktorfahrer zu werden. „Naja, zunächst musst du so lange Beine haben, dass du auch an das Gaspedal, Kupplung und Bremse kommst…“, begann ich. „Ich bin schon gewachsen!“, fiel mir Krumpfz ins Wort. „… und du brauchst einen Führerschein.“ „Wenn ich keinen Führerschein habe?“ „Dann kommt die Polizei und schimpft und du bekommst eine Strafe.“

Wohl wegen der Vorstellung, es mit der schimpfenden Polizei zu tun zu bekommen, will Krumpfz jetzt doch warten, bis er groß genug ist, um den Traktor-Führerschein zu machen. Danach will er für immer Traktor fahren – und zwar sowohl auf dem Bauernhof, als auch auf der Baustelle. Die passende Berufsbezeichnung wäre demnach „freiberuflicher Traktorfahrer“. Die Idee, einen Bauernhof zu haben, findet er dagegen nicht mehr so attraktiv wie noch vor ein paar Monaten.

Sein Leben als Großer soll stattdessen vor allem vom Traktorfahren bestimmt werden. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für anderes. Vor zwei Wochen etwa entspann sich darum folgender Dialog beim Ins-Bett-Bringen:

Krumpfz: „Mama, bleib‘ bei mich!“

Ich: „Ich gehe doch nicht weg!“

Krumpfz: „Wann warst du denn schon mal weg?“

Ich: „Letztes Jahr war ich mit Papa mal eine Nacht weg auf einem Konzert in Luxemburg und Oma und Opa haben auf dich aufgepasst.“

Krumpfz: „Warum in Luxemburg?“

Ich: „Weil da eine Band gespielt hat, die wir sehr mögen.“ (deus, um genau zu sein.)

Krumpfz: „Warum warst du da?“

Ich: „Weil so ein Konzert Spaß macht. Da spielt die Band auf der Bühne und man kann hüpfen, tanzen und mitsingen. Wenn du größer bist, nehmen wir dich mal mit auf ein Konzert.“

Krumpfz: „Neeeeein. Ich will doch Traktorfahrer werden! Oh, Mama!“

Ähnlich entrüstet reagierte Krumpfz, als ich ihm im Badezimmer, wo sein Papa lautstark einen amerikanischen NFL-Podcast hörte, Tage später vorschlug, irgendwann Englisch zu lernen. „Nein, Mama, ich will das nicht! Ich will Traktorfahrer werden.“ Selbst der Idee, später der Freiwilligen Feuerwehr beizutreten (so wie es sein Kindergartenfreund Bob* vorhat), konnte Krumpfz nichts abgewinnen: „Ich will doch Traktorfahrer werden! Mann, Mama!“

Naja, Bauer Toni würde sich in 13 Jahren sicher über einen Auszubildenden freuen – der dann auch bei ihm einziehen will (so zumindest Krumpfz‘ Plan). Vielleicht sollte ich die Bewerbungsunterlagen schon vorbereiten? Ein Empfehlungsschreiben hätte Krumpfz ja jetzt schon – nämlich diesen Text.

*der in Wirklichkeit anders heißt

Eingewöhnung, die dritte

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„Du kannst dann jetzt gehen“, sagte Krumpfz und sah mir fest in die Augen. „Okay…“, sagte ich und zögerte. „Sollen wir nicht lieber noch warten, bis Mone* wieder da ist?“ „Nö!“

Es war Krumpfz‘ achter Tag im Kindergarten, als beim Abschied von mir keine Tränen mehr flossen. Zwar winkte mir Krumpfz‘ am Ende doch noch auf dem Arm seiner Erzieherin hinterher, als ich den Kindergarten verließ – allerdings leicht mechanisch mit dem Blick auf den Gruppenraum der Regenbogen-Kinder gerichtet und in Gedanken schon in der Bauecke.

Dass die Eingewöhnung in den Kindergarten nach einer guten Woche quasi abgeschlossen sein könnte, hätte ich vorher allenfalls insgeheim gehofft. Denn nach Monaten, in denen mein Mann, Krumpfz und ich wegen der Corona-Pandemie fast immer zu Hause waren, und den langen Sommerferien, die vor allem aus drei Wochen gemeinsamer Urlaubszeit bestanden, war Krumpfz so an uns Eltern gewöhnt, dass es für ihn hätte immer so weitergehen können.

„Mama, bleib‘ bei mich!“ war folglich in den Sommerferien auch einer der häufigsten Sätze meines Sohnes. An Tagen, an denen er besonders aufgeregt war, durfte ich teilweise nicht von seiner Seite weichen. Und davon gab es im August viele: der Tag vor Krumpfz‘ Geburtstag, Krumpfz‘ Geburtstag, der Tag vor der Abreise in den Norden zu meinen Eltern, der Tag vor der Abreise an die Nordsee, der Tag vor der Rückfahrt zum Haus meiner Eltern, der Tag vor der Rückfahrt nach Hause, der Tag vor dem ersten Tag im Kindergarten… Kurz gesagt: Ich war Krumpfz‘ sicherer Hafen in spannenden Zeiten – und nervlich manchmal ganz schön am Limit.

Weil Krumpfz so auf mich fixiert war, setze ich (wie gesagt) keine großen Hoffnungen in eine schnelle Kindergarten-Eingewöhnung – unsere erste gemeinsame (die Eingewöhnungen waren bisher Papa-Sache gewesen). Zum Glück zeigten die Erzieherinnen (trotz diverser anders lautender Corona-Verordnungen) großes Verständnis für Krumpfz‘ bisher eher holprige Fremdbetreuungskarriere und sein Bedürfnis nach langsamem Kennenlernen.

Um ehrlich zu sein: Sie hatten deutlich mehr Geduld mit ihm als ich. Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, entspannt zu bleiben, war ich schon am dritten Tag frustriert, weil Krumpfz nach zwei Stunden mit mir im Kindergarten nach Hause wollte, während die beiden anderen Kinder, die zur gleichen Zeit eingewöhnt wurden, schon allein bis nach dem Mittagessen im Kindergarten blieben. Mein gesamtes Repertoire an Abwehrmechanismen für solche Vergleiche war plötzlich lahmgelegt und ich ärgerte mich nun auch noch über mich selbst. Erst meine Freundin Lilo* konnte meinem Groll etwas entgegensetzen: „Er braucht die Zeit… und deine Begleitung. Und jeder hat seine Stärken und Schwächen“, schrieb sie mir, nachdem ich meinen Frust in ein paar knappen WhatsApp-Nachrichten bei ihr abgeladen hatte. Und weiter: „Ich glaube, man muss damit umgehen lernen, das ist die Challenge für uns!“

Krumpfz am ersten Tag auf dem Weg zum Gruppenraum.

Sie hatte ja so Recht! Also versuchte ich einfach, alle Erwartungen, Hoffnungen, Befürchtungen und Sorgen auszublenden und ging weiter mit Krumpfz‘ in den Kindergarten. Dort saß ich (coronaverordnungskonform) mit Mund-Nasen-Schutz auf einem der kleinen Stühle und langweilte mich. Denn Krumpfz‘ war meist mit Mone lesen, essen oder in der Bauecke. Währenddessen baute ich mit Mila* Bauklotz-Türme auf meinen Füßen, spielte „Kuckuck!“ mit Tiana*, half Julian* in die Regenhose und Arold* beim Aufräumen.

Wehe aber, ich wollte den Raum verlassen! „Mama, bleib bei mich!“ Am vierten Tag der Eingewöhnung durfte ich nicht einmal allein auf Toilette gehen – Krumpfz‘ musste mit. Dass ich den Kindergarten verlassen durfte, schob er folglich immer weiter vor sich her: „Erst noch ein Buch lesen!“, „Erst, wenn wir in den Garten gehen!“, „Erst, wenn ich dir den Garten gezeigt habe!“. Am Ende der ersten Woche blieb ich schließlich ganz.

Mone* und ich beschlossen deshalb, Krumpfz zu Beginn der zweiten Woche vor vollendete Tatsachen zu stellen: Nach einer halben Stunde im Kindergarten und einer gemeinsamen Lektüre von „Charly bei der Feuerwehr“ erklärte ich Krumpfz, dass ich nun zur Arbeit gehen müsste (was ich nicht sagte: dass das in diesem Fall mein Schreibtisch zu Hause war). Er war sichtlich traurig: „Mama bleib‘ bei mich!“, flehte er mich an, dicke Tränen weinend. Ich schulterte trotzdem meinen Rucksack, nahm Krumpfz auf und in den Arm und trug ihn über den Außenbalkon vor dem Gruppenraum bis zur Treppe in den Garten. Dort musste ich ihn mit etwas Nachdruck Mone* in die Arme schieben und mich von ihm lösen. Noch immer weinte Krumpfz. Erst das gemeinsame Winken vom Balkon half ihm ein bisschen über den Abschied hinweg.

Kaum war ich zu Hause, klingelte mein Handy. Ich erschrak: Das Display zeigte die Nummer des Kindergartens an. „Hallo?“, sagte ich fragend ins Mikrofon. „Hallo, hier ist Mone!“ Oh nein, dachte ich, das hat nicht geklappt! „Ich wollte nur kurz bescheid sagen: Krumpfz hat sich sofort beruhigt, nachdem Sie um die Ecke verschwunden waren und jetzt spielt er in der Bauecke.“ Ich war erleichtert – und konnte tatsächlich arbeiten!

Am nächsten Tag schaffte Krumpfz den Abschied dann schon fast ohne Tränen. Und gestern war es dann so weit, dass Krumpfz mich, nachdem ich ihm zwei Bücher („Zauberklang der Ritterzeit“, „Wo wohnt der Osterhase?“) vorgelesen hatte, einfach nach Hause schickte. Zurück kam er gut gelaunt („Im Kindergarten ist es schön.“), etwas überdreht („Tschutschu fährt die Bombelbahn!“) und mit ersten neuen Wörtern („Bäh!“ als Ausdruck für Ekel vor allerlei Essen, das er eigentlich mag). Daran müssen wir Eltern uns jetzt wohl im Gegenzug auch gewöhnen.

*die/der in Wirklichkeit anders heißt

Fuchsi und der Taucher

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Ich bin in einem Haus voller Geschichten großgeworden. Seit ich denken kann, hat mir meine Mutter – auf dem Fußboden des Kinderzimmers sitzend, den Rücken an die in kalten Monaten wärmende Heizung gelehnt – jeden Abend aus Büchern vorgelesen. Vor allem an unsere Ausflüge in die Welt Astrid Lindgrens habe ich zum Teil noch lebhafte Erinnerungen – so zum Beispiel an den Abend, als wir am Ende der Geschichte der „Brüder Löwenherz“ beide vor Rührung weinen mussten.

Mein Vater hingegen hat mir nicht so oft Geschichten vorgelesen – er hat sie lieber selbst erfunden. Meistens war das sonntags der Fall, wenn ich mich zu ihm ins Bett meiner Eltern kuscheln durfte, um Mittagsschlaf zu machen. Von letzterer Vorgabe war ich nie wirklich begeistert, weswegen ich meinen Vater immer dazu zu überreden versuchte, mir eine Geschichte nach der anderen zu erzählen. Um aus dieser Misere einen Ausweg zu finden – und um mich zu ärgern – erfand mein Vater deshalb irgendwann die „Geschichte vom Taucher“, die in ihrer Reinform folgendermaßen geht:

„Es war einmal ein Taucher – gluckgluck, weg war er!“

Ich war natürlich als Kind immer schrecklich empört, wenn mein Vater auf meine Aufforderung nach einer Geschichte erstmal den blöden Taucher hervorholte – und das zunehmend eingebettet in zunächst vielversprechende Geschichtsanfänge. Ich erinnere mich zum Beispiel an folgende Taucher-Episode: „Es war einmal an einem wunderschönen, sonnigen Morgen. Auf einer Wiese, auf der viele Blumen wuchsen, lag noch der Tau. Auf einem Blatt war ein besonders großer Tautropfen, der im Sonnenlicht nur so funkelte. Und da hinein sprang ein Taucher – gluckgluck, weg war er!“ Nichtsdestotrotz blieb der Taucher Teil unseres Geschichtenuniversums.

Seit letztem Herbst hat nun Krumpfz auch seinen ganz persönlichen Geschichtenheld: Fuchsi. Alles fing damit an, dass wir im Spätsommer auf einem der unzähligen Kinderkleiderbasare waren und dort eine Frau, die „Fit Dank Baby“-Kurse bewarb, in der Schlange der Wartenden vor der Halle kostenlose Werbetütchen verteilte. Darin fand sich neben allerlei Nutzlosem auch eine kleine Fingerpuppe: ein roter Fuchs. Krumpfz wollte sie natürlich sofort haben und schon auf der Fahrt nach Hause ließ er sie nicht mehr los. Wir nannten den Fuchs – kreativ wie wir sind – Fuchsi. Er wurde zu Krumpfz‘ treuem Begleiter.

Fuchsi musste fortan überall mit hin – vor allem aber mit ins Bett. Vergaßen wir zum Beispiel, Fuchsi morgens mit in die Kita zu geben, war Krumpfz kaum zu einem Mittagsschlaf zu bewegen. Auch abends musste Fuchsi – zusammen mit allerlei Spielzeugautos und gut zugedeckt – mit in unserem Bett einschlafen.

Umso größer war der Schock, als ich Krumpfz eines regnerischen Morgens ausnahmsweise mit dem Auto zur Kita brachte und in der Hektik irgendwo Fuchsi verlor. Schon beim Abgeben meines Sohnes in der Kita merkte Krumpfz, dass Fuchsi nicht da war. Ich versicherte ihm, dass ich Fuchsi bestimmt wiederfinden würde, bis ich Krumpfz wieder abholen würde. Doch obwohl ich anschließend den Hof vor der Kita, das gesamte Auto und unsere Garage bis in die hintersten Winkel durchsuchte – Fuchsi blieb verschwunden. Ein weinendes Kind und schlaflose Nächte vor Augen beauftragte ich meinen Mann umgehend mit der Bestellung eines neuen Fuchsi-Exemplars im Internet.

Tatsächlich blieb der alte Fuchsi verschwunden – so dass wir sehr froh waren, dass der neue Fuchsi dank Express-Lieferung schon zwei Tage später bei uns eintraf. Zum Glück nahm Krumpfz den neuen Fuchsi ohne mit der Wimper zu zucken an und schloss ihn genauso ins Herz wie seinen Vorgänger.

Allerdings war Fuchsi nicht allein geliefert worden: Ihn gibt es nur in einem Paket mit zwei anderen Fingerpuppen – einem Frosch („Fröschli“) und einem Eichhörnchen („Hansi“) – zu kaufen. Beide Puppen hoben wir Eltern für den Adventskalender auf, aus dem sie Krumpfz in der Weihnachtszeit schließlich etwas zerknautscht befreite.

Bereits vorher begannen wir – oder besser gesagt: vor allem mein Mann – Geschichten rund um Fuchsi zu spinnen. Jede Geschichte beginnt dabei so:

„Es war einmal ein kleiner roter Fuchs, der wohnte mit seiner Familie unter einer alten Eiche. Und sein Name war: Fuchsi.“

Oft bestimmt Krumpfz, wie die Geschichte weitergeht – was dazu führt, dass Fuchsi regelmäßig mit dem Traktor des Bauern von nebenan unterwegs ist. Mal muss er eine vom Sturm umgewehte Eiche mit dem Forsttraktor abtransportieren, mal mit Traktor und Pflug dem Bauern auf dem Feld helfen. Natürlich kann Fuchsi auch noch allerhand andere Fahrzeuge fahren. Neulich erst hat er mit einem Bagger einen Krötentunnel ausgehoben. Mit dabei sind auch seine Freunde Fröschli, Hansi und Pu (dem Bären – einem Relikt aus frühen Tagen unserer Beziehung), die inzwischen auch allerlei Fahrzeuge fahren können.

Krumpfz ist folglich ziemlich begeistert von Papas Fuchsi-Geschichten und kann – vor allem abends, wenn er partout nicht schlafen gehen will – gar nicht genug davon bekommen. „Noch eine allerletzte!“, fordert er also, kaum dass mein Mann eine Fuchsi-Geschichte zu Ende gebracht hat. Natürlich ist die allerletzte Geschichte dann aber immer noch nicht genug und Krumpfz will „Noch eine allerletzte!“.

Das hat nun vor gut zwei Wochen dazu geführt, dass ich – als ich „noch eine allerletzte“ Geschichte erzählen sollte – einfach in die elterliche Trickkiste gegriffen und die Taucher-Geschichte erzählt habe. Beim ersten Mal war Krumpfz einfach nur verdutzt. Nach ein paar weiteren Taucher-Geschichten (an den nächsten Tagen) aber kapierte er langsam, dass der Taucher jede Erzählung abrupt beendet. Deswegen wünscht sich Krumpfz jetzt immer „Noch eine allerletzte – mit ohne Taucher!“. Ich kann es natürlich trotzdem nicht lassen, ihm immer mal wieder einen Taucher unterzujubeln. Denn so ein Taucher darf in keinem Geschichtenuniversum fehlen.

Vom Groß-Sein

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Wenn Kinder klein sind, wollen sie irgendwann auch immer eins: Großsein. Auch Krumpfz treibt dieser Wunsch seit einigen Wochen um. Und er hat schon ganz konkrete Pläne: Wenn er mal groß ist, will er endlich unser gelbes Auto selbst in die Garage fahren. Und mit Papa Minigolf spielen. Und nach Amerika reisen. Und einen John Deere kaufen. Hier eine kleine Auswahl unserer Zukunftsgespräche mit dem Sohnemann.

Über Berufswünsche

Krumpfz und ich schauen das Buch „Ich hab einen Freund, der ist Lokführer“ an. Es endet mit „Wenn ich groß bin, will ich auch Lokomotivführer werden.“

Ich: „Und Krumpfz, was willst du mal werden, wenn du groß bist?“

Krumpfz: „Mama sagen!“

Ich: „Ich? Ich weiß doch nicht, was du werden willst. Ich kann dir was vorschlagen.“ Ich gehe die bekannten Berufe durch: Tierpfleger, Müllmann, Pilot, Baggerfahrer…

Krumpfz: „Baggerfahrer!“

Ich (latent suggestiv): „…oder Bauer, da kannst du dann jeden Tag Traktor fahren.“

Krumpfz: „Wenn Krumpfz größer ist, Bauer werden will!“

Ich: „Okay! Und was für einen Traktor willst du dann haben?“

Krumpfz (emphatisch): „Einen John Deere mit Anhänger!“

Ich: „Und willst du auch Tiere haben?“

Krumpfz: „Schafe!“

Papa: „Auch Hühner?“

Krumpfz: „Nein! Nur Schafe!“


Über Festivalbesuche

Krumpfz begleitet mich (wie so oft) auf die (Gäste-) Toilette. Am Spiegel hängen die alten Festival-Bändchen von meinem Mann und mir.

Krumpfz: „Krumpfz Grünes und Blaues haben will!“

Ich: „Okay, aber nur die beiden! Das sind alte Festival-Bändchen, die sollen nicht verloren gehen!“

Krumpfz: „Ja.“

Ich: „Weißt du, was ein Festival ist?“

Krumpfz (wie immer bei einer solchen Frage selbstbewusst): „Ja!“

Ich (wohl wissend, dass er keine Ahnung hat): „Bei Festivals wird Musik gespielt. Von Musikern auf der Bühne. Mit Instrumenten wie Schlagzeug und Gitarre. Also nicht von CD, sondern in echt. Und da gehen ganz viele Menschen hin, um sich die Musik anzuhören. Die übernachten da dafür sogar in Zelten.“

Krumpfz: „Wenn Krumpfz größer ist…“ (hält inne)

Ich: „…willst du auch auf ein Festival?“

Krumpfz: „Ja.“

Ich: „Und willst du da dann auch zelten?“

Krumpfz: „Nein.“

Ich: „Ah, du willst nur die Musik anhören?“

Krumpfz: „Nein.“

Vielleicht ist Krumpfz dann doch nicht so der Festival-Typ.


Vom Heiraten

Krumpfz und ich schauen uns zum wiederholten Mal das Wimmelbuch zum nächstgelegenen Zoo an. Auf Seite 2: eine Brautpaar, das gerade geheiratet hat (Was im Zoo heutzutage alles so machen kann!).

Krumpfz: „Die beiden verheiratet.“

Ich: „Ja, die haben gerade geheiratet. Mama und Papa sind auch verheiratet – guck, Mama trägt wie Papa einen Ring, der zeigt, dass wir zusammengehören.“

Krumpfz: „Wenn Krumpfz ganz größer ist, dann auch verheiraten.“

Ich: „Okay, und wen willst du heiraten?“

Krumpfz: „Papa!“

Linsen pinsen

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Wir wohnen hier ja mitten im Schwäbischen. Das bedeutet nicht nur, dass hier alle alles außer Hochdeutsch können, sondern auch, dass wir eine enge kulinarische Beziehung zu Linsen haben. Denn eins lernt man als „Neig’schmeckte“ hier schnell: Linsen mit Spätzle gehen immer! Sie sind die sichere Bank, wenn man irgendwo zum Essen einkehrt und sich der Künste des Kochs nicht sicher sein kann. Selbst die Mensa unserer Unistadt konnte viele Gerichte bis zur Unkenntlichkeit verkochen – Linsen und Spätzle hingegen trotzten selbst der gröbsten Behandlung durch das mürrische Küchenpersonal und waren immer genießbar.

Zu Hause haben wir Linsen mit Spätzle noch nie selbst gekocht. Nichtsdestotrotz haben Linsen inzwischen Einzug in unseren Alltag gehalten. Und zwar als Spielmaterial.

Alles begann mit Krumpfz‘ Leidenschaft für Spielzeugautos. Kaum war er in die Krippe eingewöhnt, entdeckte er die kleinen Autos, Baustellenfahrzeuge und Landmaschinen für sich. Zu Hause hatten wir noch streng darauf geachtet, dass Krumpfz keines dieser Miniaturvehikel in die Hände bekommt – schließlich stand auf jeder Verpackung, dass diese kein Spielzeug für Kinder unter drei Jahren seien! Als sich unser Sohn jedoch jeden Morgen in der Kita sofort zu Plastik-Parkgarage und Fahrzeugkiste aufmachte und die Erzieherinnen dies mit entspannter Miene begleiteten, gaben wir auch zu Hause langsam nach. Den ersten kleinen Bagger brachten Krumpfz und ich aus dem hiesigen Second-Hand-Laden mit. Der Baggerarm war schon ziemlich ausgeleiert und an der Schaufel fehlten bereits zwei Zähne. Trotzdem war dieser gelbe Minibagger fortan Krumpfz‘ großes Glück. Ich erinnere mich noch, dass er ihn teilweise zum Einschlafen mit ins Bett nahm (und ich dann nachts wach wurde, weil mir plötzlich der Metallkörper des Baggers in die Seite piekste). Auch in unseren Fasnetsflucht-Urlaub auf Mallorca vor einem Jahr trug Krumpfz den kleinen Bagger so gut wie immer bei sich – bis schließlich die Schaufel ganz abbrach und der Bagger damit quasi seine Bestimmung verlor.

Zurück in der Heimat wurde der gelbe Minibagger durch das exakt gleiche Modell ersetzt. Zudem führte die anbrechende Flohmarkt-Saison gepaart mit einer anhaltenden Begeisterung für alles, was Räder hat, dazu, dass Krumpfz‘ Fuhrpark stetig wuchs. Jetzt, gut ein Jahr später, zähle ich hier 84 kleine Rennautos, Traktoren, Nutzfahrzeuge, Bagger, Kipplaster, Anhänger und was nicht noch alles. Und da sind die Bruder-, Playmobil- und Duplo-Fahrzeuge noch gar nicht mitgezählt.

Parallel zum wachsenden Fuhrpark entdeckte Krumpfz in der Krippe eine große Wanne voller Reis für sich: Die „Reissteine“ konnte man prima mit dem Minibagger in die Kipplaster und Anhänger schaufeln – was Krumpfz mit einer so großen Ausdauer und Begeisterung betrieb, dass wir schließlich auch zu Hause ein Tablett mit Reis zum Schaufeln bereitstellten.

Allerdings wurden wir Eltern schnell der Illusion beraubt, dass der Reis auf dem Tablett blieb. Fortan mussten wir abends nicht nur Kieselsteine, sondern auch noch Reiskörner vom Wohnzimmer-Boden aufklauben. Deswegen verschwand das Reistablett recht bald wieder.

Irgendwann im letzten Herbst aber kam mein Mann nach einem Einkauf im Supermarkt mit einer Packung Linsen nach Hause – natürlich nicht zum Kochen, sondern für Krumpfz. Schließlich sähen die Linsen viel mehr nach Baustelle aus, als der Reis, argumentierte er.

Seither sind ca. 350 Gramm Linsen (Gewicht täglich abnehmend!) Krumpfz‘ tägliches Spielmaterial. Schon morgens nach dem Aufstehen fordert Krumpfz uns zum „Linsen spielen“ auf, was bedeutet, dass die am Vorabend mühevoll zusammengeklaubten Linsen auf einen Haufen geschüttet und dann mit allerlei Baustellenfahrzeugen bearbeitet werden. Wir Eltern bekommen dafür in der Regel den alten, gelben Radlader zugewiesen, in dessen Schaufel nur ca. 10 Linsen passen. Mit diesem dürfen wir damit mühevoll einen Kipplaster beladen, den Krumpfz dann an fast identischer Stelle wieder entleert. Währenddessen schaufelt Krumpfz mit dem großen Radlader und Bagger ebenfalls Linsen in Traktor-Anhänger und John-Deere-Kipper, die dann auch an gleicher Stelle ihre Ladung wieder auskippen. Für einen Erwachsenen (mich) macht das keinen Sinn, für Krumpfz aber ist es scheinbar die erfüllendste Aufgabe überhaupt. Stundenlang baggert er Linsen von A nach A. Mit seinem Papa hat er längst seinen eigenen Begriff für diese Tätigkeit entwickelt: das „Linsenpinsen“.

Anfangs hat mich das „Linsenpinsen“ schrecklich gelangweilt – das Baggern ohne Ziel erschien mir als reine Zeitverschwendung. Nachdem Krumpfz aber im letzten Monat sowohl Magen-Darm- als auch grippekrank war und teilweise vor Wut über die Erkrankung die Linsen wirklich überall (wirklich überall!) hinschmiss, weiß ich ein friedliches „Linsenpinsen“ nun sehr zu schätzen. Und nach einem stressigen Arbeitstag fühlt es sich sogar manchmal so an, als würden wir mit den Baustellenfahrzeugen auf unserem Wohnzimmer-Teppich einen Miniatur-Zen-Garten erschaffen. Vielleicht sollten wir uns das als schwäbische Entspannungsmethode patentieren lassen – kosch‘ ja ned viel.

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Der blaue Elefant

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Seit ein paar Wochen haben wir einen neuen Mitbewohner. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich von ihm halten soll: Er kommt und geht, wann er will und sein Benehmen ist oft etwas ungehobelt. Und dazu – das ist vielleicht nicht ganz unerheblich – ist er ein blauer Elefant.

Der blaue Elefant zog irgendwann um Weihnachten hier ein. So ganz genau wissen wir es aber nicht mehr, weswegen sich sein erstes Auftauchen nur noch grob rekonstruieren lässt: Krumpfz alberte mit seinem Papa im Wohnzimmer herum, wahrscheinlich waren Kissen und verschiedene Kitzelmanöver Teil der Szenerie. Irgendwann in diesem Durcheinander nannte mein Mann Krumpfz eine „Quatschnudel“, worauf letzterer kurz innehielt und mit ernster Miene insistierte: „Nein, ein blauer Elefant!“

Seither taucht der blaue Elefant immer mal wieder bei uns auf – besonders oft beim Mittagessen. Er ist dann meist ganz schön frech, macht Dinge, die wir Eltern nicht mögen oder ist einfach nur ziemlich albern. Meist ist er nach kurzer Zeit wieder verschwunden.

Vor ein paar Wochen saßen wir zum Beispiel nach dem Essen noch ein paar Minuten am Esstisch und wir Eltern unterhielten uns (was mit Kleinkind ja schon Herausforderung genug ist). Vermutlich um nicht in Vergessenheit zu geraten, nahm Krumpfz einen großen Schluck „Bitzelwasser“ und rülpste (oder versuchte es zumindest). Mit breitem Grinsen und erwartungsvollen Augen sah er uns an und wartete auf unsere Reaktion. Von seinem Papa wollte er sicherlich lobende Worte hören, hatte er ihn doch erst Tage zuvor in die Geheimnisse des männlichen Urgeräuschs eingeweiht. Ich, die ich gut auf Rülpskonzerte am Tisch (und im Leben generell) verzichten kann, verzog hingegen das Gesicht: „Och nö, Krumpfz! Nicht machen, das ist ekelig!“ Von diesem Verbot und dadurch, dass sich mein Mann seinen väterlichen Stolz und ein Lachen nur schwer verkneifen konnte, animiert, setzte Krumpfz erneut den Becher an, trank einen großen Schluck und versuchte sich an einem neuen Rülpser. Wieder schaute er uns mit einem herausfordernden Lachen an. „Du bist ein Frechdachs, weißt du das?“, sagte ich mit gespieltem Ärger, aber nun doch mehr lachend. Da guckte mich Krumpfz plötzlich ernst an und sagte bestimmt: „Nein, ein blauer Elefant!“

Woher der blaue Elefant kommt, wissen wir nicht. Klar hat Krumpfz längst Bekanntschaft mit dem kleinen blauen Elefanten, dem treuen Freund der Maus, gemacht. So richtig viel hatte er mit ihm aber noch nie am Hut. Er kennt zwar die Maus-Spots (die wir ihm eine Zeit lang beim Wickeln und beim Frisör vorgespielt haben, um überhaupt an ihn heranzukommen). Und er hat auch ein entsprechendes Kuscheltier von uns geerbt (warum auch immer wir Erwachsenen so etwas besitzen!). Aber die Begeisterung für Maus-Spots ist längst einer für Videos über Bau- und Landmaschinen gewichen und der blaue Kuschelelefant konnte sich (wie alle anderen Kuscheltiere) nie richtig gegen das braune Kissen durchsetzen.

Immerhin scheint das Elefanten-Alter-Ego aber in der Familie zu liegen: Wir Eltern sind laut Krumpfz nämlich auch blaue Elefanten und sogar die Großeltern sind Teil unserer Dickhäuter-Dynastie. Wenn Sie also demnächst irgendwo eine Horde blauer Rüsseltiere sehen – das wären dann wir.

Dätschi!

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Ich komme ja aus einer Winke-Familie. Was das ist? Nun, den Begriff habe ich selbst erfunden. Er bezeichnet die Art und Weise, wie man sich in meiner Familie verabschiedet – nämlich durch exzessives Winken. Zumindest war das früher so, als wir noch mit drei Generationen unter einem Dach wohnten. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mit meiner Mutter immer im Haustürrahmen stand, während meine Tante und mein Onkel nach einem Besuch in ihren dunklgrünen Nissan stiegen und fortfuhren. Ich war dann immer etwas traurig. Aber spätestens, wenn mein Onkel dann die Warnlichter anmachte und hupte, während er das Auto die Straße hinuntersteuerte und wir den beiden wie wild hinterherwinkten, war die Szene auch gleichzeitig so witzig, dass ich die Traurigkeit über den Abschied kurz vergaß.

Auch sonst wurde in meiner Familie immer viel gewunken: Wenn Opas Familie aus Brandenburg kam, stand zum Abschied unsere ganze Familie vor der Haustür und winkte, bis die Verwandtschaft mit ihrem Auto an der nächsten Kreuzung abbog. Wenn ich mit meinen Eltern in den Urlaub fuhr, standen meine Großeltern vor dem Haus und winkten uns mit besorgtem Blick hinterher – dabei fuhren wir doch nur nach Bayern und nicht ans andere Ende der Welt! Und auch als ich schließlich von zu Hause auszog, winkten mir meine Eltern tapfer hinterher, als ich in meinem voll beladenen Peugeot die Heimat verließ.

Umso erstaunlicher war es also, dass Krumpfz von diesem Winke-Gen so scheinbar gar nichts abbekommen hatte. Während andere Babys schon mit sieben Monaten zum Abschied fleißig winkten, zeigte sich Krumpfz bei Abschieden unbeeindruckt: Er ignorierte sie einfach. Weder wir Eltern, noch die Großeltern oder gar Freunde konnten von ihm eine Abschiedsgeste erwarten.

Später, als ich nach einem Jahr als Vollzeit-Mama wieder arbeiten ging, quittierte Krumpfz mein Fortgehen zunächst mit Weinen und herzzerreißenden Rufen nach „Mama“, während ich schlechten Gewissens durch das Treppenhaus davoneilte. Zwar gewöhnte er sich irgendwann an den Zustand, dass Mama morgens das Haus verließ – verabschieden wollte er sich aber immer noch nicht. Auch wenn mein Mann ihn morgens in der Krippe abgab, war aus Krumpfz kein „Tschüss“ herauszubekommen. Stattdessen ließ er meinen Mann einfach stehen.

Dafür bekam sein Freund Tom*, der sich, unbeirrt von Krumpfz‘ Ignoranz, nach jeder Begegnung fröhlich verabschiedete, irgendwann als Erster ein „Tschüss, Tom!“. Und auch bei mir begann sich Krumpfz manchmal und dann zaghaft zu verabschieden. So richtig warm wurde er mit der Situation aber nicht, das merkte man.

Doch als wir Eltern gerade beschlossen hatten, dass das Abschiednehmen einfach nicht Krumpfz‘ Ding war, und wir uns höflich bei jedermann für das Nichterwidern eines „Tschüss, Krumpfz!“ entschuldigten („Er hat’s nicht so mit Abschieden.“), entdeckte Krumpfz plötzlich das Winken für sich. Quasi über Nacht wurde aus dem eher mürrischen Abschiednehmer ein enthusiastischer Winker. Fortan wurden all unsere Gäste mit überschwänglichem Gefuchtel und einem „Tschüssi! Bye, bye“ von einem fröhlich lachenden Krumpfz‘ verabschiedet.

Gleichzeitig interessierte sich Krumpfz plötzlich für unsere verschiedenen Abschiedsformeln, die ich ihm eines Abends im Bett alle aufzählen musste. So fanden wir heraus, dass Opa Micha „Tschaui“ sagt, während Oma Marianne eher „Tschüssi“ verwendet, Papa wiederum „Bye, bye!“ benutzt und Mama „Tschüüühüüüs!“ ruft. Irgendwann, als wir alle Mitglieder unserer zugegebenermaßen kleinen Familie durchhatten, hatte Krumpfz noch immer nicht genug. „Was noch?“, fragte er und sah mich mit erwartungsvollen Augen an. Spontan fiel mir da nichts Besseres als „Arrivederci!“ ein und ich erklärte Krumpfz, dass die Menschen auf der anderen Seite der Berge sich so verabschiedeten.

Am nächsten Morgen hatte ich unseren abendlichen Exkurs ins Italienische schon längst wieder vergessen. Doch als ich mich von Krumpfz mit Winken und „Tschüüühüüüs!“ verabschiedete, schaute er mich plötzlich erwartungsvoll an: „Was noch?“ Ich dachte nach. Dann fiel es mir wieder ein: „Arrivederci!“ Krumpfz lachte, winkte und rief „Dätschi Mama!“. Und was soll ich sagen? Seither ist das wahrscheinlich furchtbar falsch ausgesprochene „Arrivederci!“ die Abschiedsformel, die Krumpfz immer auch noch von mir hören will. Ich fürchte, ich muss jetzt doch noch Italienisch lernen.

* Der im echten Leben anders heißt.