Leneli

Allgemein

Erinnert sich noch jemand an die erste Episode des „Life of Krumpfz“? Darin kämpften Krumpfz (in seiner Rolle als kleines Schrei-, Spuck- und Schietermonster) und ich (in meiner Rolle als überforderte Mutter) uns durch die erste Stunde meines Rückbildungskurses. In einer Nebenrolle auch schon dabei: Leneli*. In meiner Erinnerung ist sie das freudig strampelnde, stets gut gelaunte Baby, das links neben Krumpfz und mir auf einer Gummimatte liegt, während ihre Mama seelenruhig (und natürlich äußerst grazil!) ihren Beckenboden zurechtruckeln kann. Ich hätte damals viel dafür gegeben, auch ein so gechilltes Baby (und solch grazile Bewegungsabläufe!) zu haben. Ja, ich war tatsächlich ein bisschen neidisch.

Inzwischen ist aus Leneli ein draufgängerisches Mädchen mit fast schwarzen Haaren und dunklen Augen geworden, das lieber mit den Jungs als mit den Mädchen im Kindergarten spielt, keine Scheu vor einem Sprung ins Plantschbecken (mit Kopf unter Wasser!) hat und gerne Quatsch macht. Und ein Mädchen, das Krumpfz sehr mag.

Denn das Sprichwort, wonach man sich immer zweimal im Leben begegnet, macht anscheinend auch vor Babys nicht halt. Und so kam es, dass Krumpfz und Leneli vor über zweieinhalb Jahren in der gleichen Kindergartengruppe eingewöhnt wurden. Ich maß diesem Fakt zunächst keine weitere Bedeutung bei und setzte meine Hoffnungen für Krumpfz‘ erste Kindergartenfreundschaft ehrlich gestanden eher auf Justus-Jonas* – einen gleich großen, gleich blonden, gleichaltrigen Jungen mit gleich ausgeprägtem Faible für Fahrzeuge. Doch dann kamen der zweite Corona-Winter und Justus-Jonas immer seltener in den Kindergarten. Stattdessen schwärmte Krumpfz immer häufiger von Leneli.

Schön, dachte ich mir, dann hat Krumpfz endlich Anschluss in der Gruppe gefunden! Prompt bekundete ich meine Freude über diese neue Freundschaft gegenüber Lenelis Mutter, als ich sie nach einiger Zeit beim Abholen der Kinder auf dem Flur vor der „Regenbogengruppe“ traf. Lenelis Mutter sah mich allerdings nur irritiert – ja fast ein wenig befremdet – an: „Echt? Die beiden spielen miteinander? Leneli erzählt eigentlich nie etwas von Krumpfz!“ Es folgte eine knappe Liste der Jungen, mit denen Leneli laut eigener Aussage tatsächlich spielte. „Oh“, sagte ich nur und beeilte mich, Krumpfz samt Hab und Gut einzusammeln.

Krumpfz beeindruckte Lenelis offensichtliche Gleichgültigkeit ihm gegenüber dagegen wenig. Er erzählte weiter tapfer von Leneli und wie er mit ihr gespielt hätte. Während die Erzieherinnen in der Gruppe nun gefühlt wöchentlich wechselten und wir Eltern deswegen in Aufruhr gerieten (das alte Lied!), hielt er sich an Leneli fest wie Leonardo diCaprio einst an der Holztür im Eiswasser vor der sinkenden „Titanic“. Die Erzieherinnen beteuerten derweil aber weiter, dass Krumpfz vor allem allein spielte – was meine Mamaherz etwas bekümmerte.

Daran änderte sich bis September 2021 nichts. Dann aber konnte Krumpfz die Kindergartengruppe wechseln. Fortan war er mit seinem besten Freund Tom* und unserem Nachbarssohn Leo* in der Sonnengruppe. Uns Eltern war diese Entscheidung nicht leicht gefallen, gerade weil wir wussten, dass Krumpfz sehr an Leneli hing und wir uns nicht sicher waren, ob er sich mit Tom auch im Kindergarten vertragen würde. Doch unsere Sorgen wurden schon bald zerstreut: Tom und Krumpfz waren nach wenigen Wochen ein eingespieltes Team und mit Leo fand Krumpfz einen neuen Freund, der praktischerweise gleich in der Wohnung nebenan wohnt.

Gleichzeitig wurde es stiller um Leneli. Ab und zu erwähnte Krumpfz noch nebenbei, dass er Leneli auf dem Flur oder im Garten des Kindergartens gesehen habe. Viel häufiger berichtete er aber vom Spielen mit Tom, Leo und den anderen Jungs aus der Sonnengruppe – und dieses Mal bestätigten die Erzieherinnen diese Berichte sogar!

Tatsächlich hatten Krumpfz und Leneli kaum Gelegenheit, sich nach dem Gruppenwechsel noch zu sehen. Denn die Gruppen blieben wegen der steten Gefahr eines Corona-Ausbruchs im Kindergarten weiter unter sich. Nicht mal im Garten durften sich die Kinder treffen – ein rot-weißes Absperrband trennte sie voneinander.

Das änderte sich erst wenige Wochen nach Krumpfz‘ Gruppenwechsel, als der neue Bundestag gewählt wurde und in Folge zahlreicher Wahlversprechen einige Beschränkungen zum Schutz vor dem Coronavirus aufgehoben wurden. Damit fielen auch die Absperrbänder im Kindergarten. Und dieses Mal gelang es Krumpfz endlich, Lenelis Gunst zu gewinnen. Beharrlich blieb er ihr im Garten auf dem Fersen, bis sie ihn schließlich nicht länger als Spielpartner ignorieren konnte.

An manchen Tagen, an denen Krumpfz mit Leneli im Garten gespielt hatte, war er sogar abends noch ganz beseelt davon. So merkte ich einmal, als ihn ins Bett brachte, dass er überhaupt nicht zur Ruhe kam: „Mensch, Krumpfz, warum bist du denn heute Abend so aufgedreht? Ist im Kindergarten heute etwas Besonderes passiert?“ Ich dachte an wilde Verfolgungsjagden, dramatische Klettergerüst-Abstürze und vielleicht zu gruselige Fasnetsgeschichten über die lokale Hexenzunft. Doch Krumpfz‘ Stimme wurde ganz verträumt: „Ja, ich habe Leneli getroffen. Das ist immer etwas ganz Besonderes! Da habe ich eine so große Freude, dass ich abends im Bett noch ganz aufgedreht bin.“

Doch bald wurde die noch junge Freundschaft auf eine neue, harte Probe gestellt. Denn in den Regenbogengruppe war das Personalkarussell immer noch nicht zur Ruhe gekommen, was Leneli und den anderen Kindern den Kindergartenalltag deutlich verkomplizierte. Als dann auch noch die Betreuungszeiten gekürzt werden sollten, zogen Lenelis Eltern (verständlicherweise) die Reißleine und brachten Leneli zum Jahreswechsel in einem anderen Kindergarten in der Stadt unter. Krumpfz war über diese Nachricht natürlich sehr traurig, fand aber bald Trost in dem von ihm gebetsmühlenartig wiederholten Glaubenssatz, dass er Leneli ja immer noch besuchen könne und sie sich spätestens in der Schule wiedersehen würden.

Mit Ersterem hat Krumpfz tatsächlich Recht behalten: Bis heute treffen sich Krumpfz und Leneli immer mal wieder zum Spielen. Diese play dates sind zwar nicht regelmäßig, aber trotzdem finden die beiden nach einer kurzen Anlaufphase immer recht schnell zueinander und wollen sich am Ende gar nicht mehr voneinander trennen.

Auch Krumpfz‘ Hoffnung, mit Leneli irgendwann in die gleiche Klasse zu gehen, ist nicht unbegründet: Wir Eltern haben für die beiden Kinder tatsächlich die gleiche Grundschule ins Auge gefasst.

Und Krumpfz? Der schmiedet schon neue Pläne: Wenn er später einmal jemanden heiratet, dann entweder Tom oder Leneli. So genau will er sich da zwar noch nicht festlegen – aber ich glaube, Leneli hätte gute Chancen.

*die in Wirklichkeit alle anders heißen

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