Krumpfz ins Bett zu bringen war in den letzten zwei Jahren schon vieles: zeitintensiv, nervenaufreibend, ermüdend, gemütlich… zuletzt aber zunehmend unterhaltsam. Denn nach Krumpfz‘ anfänglich sprachlich noch sehr eingeschränkten Konjugationsübungen am Abend ist der letzte Schritt unserer Abendroutine inzwischen ein mehr oder minder tiefgründiges Gespräch.
Wir liegen also im dunklen Schlafzimmer, Krumpfz hat seinen Vitamin D-Drops und den obligatorischen letzten Schluck „Bitzelwasser“ (so nennen wir hier Mineralwasser) intus und warten auf den Schlaf (der am Ende oft uns beide übermannt).
Während ich meist einfach froh bin, Krumpfz endlich erfolgreich ins Bett komplimentiert zu haben und jetzt einfach nur noch ruhig daliegen möchte, entwickelt Krumpfz im Schummerlicht ein plötzlich sehr ausgeprägtes Kommunikationsbedürfnis. Ohne verbalen Vorspann beginnt er, seine Gedanken mit mir zu teilen.
Anfangs versuchte ich noch, seine unvermittelten Gesprächseröffnungen zu ignorieren. Nach einem gemeinsamen Tag in Stuttgart, an dem wir beim Hipster-Optiker meine neue Brille abholten, klang das dann so:
Krumpfz: Mama Bille abholt!
Ich: Mhmh.
Krumpfz (mit Nachdruck): Mama Bille abholt!
Ich: Mhmh.
Krumpfz (noch lauter): MAMA BILLE ABHOLT!
Ich: Ist ja gut! Wir haben heute meine Brille abgeholt.
Und so merkte ich schnell, dass ich mit Ignoranz nicht zum Ziel – dem baldigen Einschlafen meines Sohnes – kommen würde. Also änderte ich meine Strategie und begann, Krumpfz ein geduldiger Gesprächspartner zu sein – was sich wirklich auszahlt! Denn so mancher Dialog hat mich total amüsiert oder aber mein Herz erwärmt. Hier ein paar Beispiele der letzten Wochen:
Größenverhältnisse
Krumpfz: Papa noch groß!
Ich: Papa ist ganz groß?
Krumpfz: Opa Laus auch!
Ich: Und Oma Marlies?
Krumpfz: Groß!
Ich: Und Opa Micha?
Krumpfz: Groß!
Ich: Und Oma Marianne?
Krumpfz: Groß!
Ich: Und Krumpfz?
Krumpfz (grinst): Klein!
Wider die Schwerkraft
Krumpfz: Bitzelwasser trinke!
Ich: Dann musst du dich nochmal hinsetzen.
Krumpfz: Im Liegen trinke!
Ich: Nein, das geht nicht.
Krumpfz: Mama im Liegen trinke!
Ich: Das geht nicht. Wegen der Schwerkraft. Wasser läuft nach unten. Und dann läuft alles über einen drüber und man wird nass. Deshalb trinkt man am besten im Sitzen oder im Stehen.
Krumpfz (setzt sich abrupt auf, voller Begeisterung): Im Stehen trinke!
Ich: Krumpfz, nicht…
Krumpfz (steht schwankend im Bett auf, greift nach dem Becher mit Mineralwasser): Bitzelwasser trinke! (trinkt)
Ich (seufz): …
Tierfutter
Papa (erzählt eine Geschichte): „… und so fuhr die kleine Katze mit dem grünen Traktor in die Stadt, um einzukaufen. Aber die anderen Tiere auf dem Bauernhof hatten ihr gar nicht gesagt, was sie essen wollen. Also überlegte die kleine Katze. Da fiel ihr ein, was sie für die anderen Tiere kochen würde…
Krumpfz (voller Inbrunst): Sotto!
Papa (sich zusammenreißend): Risotto, was für eine gute Idee!
Arbeitnehmerschutz
Krumpfz: Esse noch!
Ich: Nein, jetzt gibt es nichts mehr zu essen.
Krumpfz: Brötchen esse!
Ich: Morgen kannst du wieder ein Brötchen essen.
Krumpfz (mit Nachdruck): Jetzt!
Ich: Wir haben keine Brötchen mehr.
Krumpfz: Brötchen eintaufe!
Ich: Das geht nicht. Der Bäcker hat schon zu. Der hat Feierabend.
Krumpfz (bestimmt): Weiterarbeite!
Ich: Das ist gegen die tariflichen Bestimmungen.
Krumpfz: Weiterarbeite!
Ich: Die Ausbeutung des Arbeiters endete Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Gründung von Gewerkschaften.
Krumpfz (unbeirrt): Weitermache!
Ich (lachend ab): …
Über Freundschaft
Krumpfz: Tom* Freunde.
Ich: Tom ist dein Freund.
Krumpfz: Auf Tom aufpasse!
Ich: Du passt auf Tom auf?
Krumpfz: Tom nicht hinfalle.
Ich: … damit Tom nicht hinfällt. Du bist ein guter Freund!
Das Schönste aber an diesen Gesprächen ist das Ende. Denn irgendwann wird Krumpfz ruhiger, seine Augen werden schwerer und sein Redeschwall versiegt. Dann nimmt er mich in den Arm und sagt: „Mama lieb!“ Da geht mir natürlich das Mutterherz auf. Allerdings hüte ich mich inzwischen, hier näher nachzufragen. Denn auf Nachfrage „Und wen hast du noch lieb?“ habe ich zuletzt „Traktor mit An-ne“ bekommen. Damit stehe ich auf einer Stufe mit seinem Plastik-Traktor mit Anhänger. Und das wollte ich dann doch nicht so genau wissen.
* der im wirklichen Leben anders heißt.