Torn in Two

Allgemein

Diese Woche haben wir für Krumpfz ein Kinderbett bestellt. Nachdem sich nachts der Kleine zuletzt mehrmals aus seinem Babybay hinaus- und in unser Bett hineinrotiert hatte, wurde es Zeit für diese Investition. Und so wird dieses Wochenende aus dem kleinen Babybay ein für Krumpfz noch ziemlich opulentes Kinderbett. Gleichzeitig wechselt Krumpfz in den nächstgrößeren Schlafsack. All das macht uns bewusst: Er ist nun definitiv kein Neugeborenes mehr.

Mich macht das manchmal etwas melancholisch. Denn diese besondere Anfangszeit gehört nun unwiederbringlich der Vergangenheit an.

So hat Krumpfz zum Beispiel längst die Gewohnheit abgelegt, auf meinem Oberkörper zu schlafen. Wenn ich versuche, ihn dazu zu bewegen, seinen Mittagschlaf auf mir statt auf dem Sofa zu halten, nimmt Krumpfz das zum Anlass, seine neuesten akrobatischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen („Guck mal, ich kann alle Gliedmaßen und den Kopf gleichzeitig anheben!“). Das ist dann alles andere als kuschelig – weswegen ich ihn zum Mittagsschlaf meist gleich auf dem Sofa platziere. Nur nach dem ersten Impfen war Krumpfz so kaputt, dass er zwei Stunden auf mir gepennt hat. Ich konnte mein Glück kaum fassen und habe die ganze Zeit fast regungslos auf dem Sofa gesessen und den Moment in mich aufgesogen wie ein trockener Schwamm das Wasser.

Auf der anderen Seite bin ich aber auch froh darüber, dass Krumpfz größer und älter wird. Denn das verschafft mir natürlich Freiheiten. Ich erinnere mich nämlich noch gut daran, wie mein Mann und ich in den ersten Wochen abwechselnd Krumpfz’ Wärmekissen gespielt haben und dabei gerne mal mehrere Stunden auf dem Sofa außer Gefecht gesetzt waren. Das war zwar oft schön, manchmal aber auch echt nervig. Denn statt zu duschen, etwas zu essen oder mal Wäsche zu waschen, lag ich regungslos unter meinem Sohn und – kein Buch in Reichweite – ärgerte mich über meine erzwungene Tatenlosigkeit.

Jetzt geht das alles wieder ohne Probleme. Denn Krumpfz kann sich lange selbst beschäftigen. So wird er unter seinem Spielbogen nicht müde, den herunterbaumelnden Plüschesel (armes Tier!) und die dazugehörigen Rasselbälle zu hauen. Oder er verfolgt ausdauernd und ohne ein Anzeichen von Langeweile aus der Wiege heraus sein Mobile. Oder er thront in seinem Autositz und schaut mir in der Küche beim Kochen zu.

Außerdem hat er einen so berechenbaren Schlafrhythmus entwickelt, dass ich seit einer Woche wieder abends ins Fitnessstudio gehen kann. Der erste Abend dort hatte etwas sehr Befreiendes – es war, als hätte ich mir mein altes Leben zurückerobert.

Und doch, es bleibt die Melancholie. Wenn man einen liebgewonnenen Strampler oder die ersten Socken aussortiert. Wenn man feststellt, dass die Wanne des Kinderwagens bald zu kurz für den Kleinen ist und der Wechsel in den Buggy nicht mehr lange auf sich warten lässt. Wenn man sich abends ins Schlafzimmer schleicht und feststellt, dass Krumpfz selig schläft – und seine Eltern (und besonders mich!) gerade überhaupt nicht braucht.

Es tröstet mich, dass dieser mütterliche Wunsch, gebraucht zu werden, und das gleichzeitige Streben nach Freiheit nicht nur mich umtreiben. Die britische Psychotherapeutin Rozsika Parker beschreibt in ihrem Buch „Torn in Two: The Experience of Maternal Ambivalence” genau diese widersprüchlichen Gefühle. Und was mich noch tröstet: Dass 62 Prozent aller 20- bis 25-jährigen Männer noch im Hotel Mama wohnen. Wir haben also noch ein bisschen Zeit.

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