Früher, als ich noch kein Kind hatte (wie das klingt, so lang ist das noch gar nicht her!), war ich immer der Auffassung, dass man sich auch als Mutter seinen Freiheiten nicht nehmen lassen darf. Kann ja nicht so schwer sein, dachte ich. Muss man einfach nur wollen, dachte ich. Und dann kam gestern Abend, als ich zum ersten Mal allein weggehen wollte.
Ein paar Tage zuvor hatte ich spontan Karten für einen Comedy-Abend für mich und meine beste Freundin bestellt. Seit Krumpfz da ist, hatten wir keine girls’ night mehr gehabt und mir schien es dringend an der Zeit, das zu ändern. Doch kaum lagen die Karten im Briefkasten, beschlichen mich die ersten Zweifel: Würde das gutgehen? Würde Krumpfz schlafen, während ich weg war? Was, wenn er aufwachen würde? Was, wenn er Albträume hatte? Oder gar Bauchweh?
Und so war ich gestern den ganzen Tag über etwas unruhig. Zwischendrin schrieb ich meiner Mutter, dass mir mein erster freier Abend bevorstünde. Die Antwort folgte prompt: „Ich wünsche euch heute einen ganz tollen Abend. Er wird sicherlich in Erinnerung bleiben“, schrieb sie zurück. Ich seufzte.
Denn ich war mir plötzlich nicht mehr sicher, ob mein Plan aufgehen würde. Demnach wollte ich Krumpfz wie immer um fünf ins Bett bringen, mich danach im Badezimmer in Schale schmeißen, meine Freundin begrüßen, gemeinsam mit ihr Abendbrot essen und dann einen unbekümmerten Comedy-Abend verbringen, während Krumpfz’ Papa den Schlaf unseres Kleinen mit dem Babyphone überwachte.
Tatsächlich durchkreuzte Krumpfz zum ersten Mal um halb fünf meinen Masterplan und signalisierte mir durch zunehmendes Gequengel, dass es jetzt Schlafenszeit sei. Ich ließ mir mit dem letzten Wickeln extra viel Zeit, um ein paar Minuten zu schinden – wusste ich doch, dass er nach dem Einschlafen nach spätestens sieben Stunden (und eher früher) wieder Hunger hatte.
Aber die Minuten, die ich herausgezögert hatte, gingen sogleich wieder verloren, als ich mich mit Krumpfz zum letzten Stillen ins Bett legte. Ihm fielen sofort die Augen zu – und um 20 nach fünf schlief er so tief und fest, dass ich ihn in sein Babybay legen konnte und mich leise aus dem Zimmer schlich. „Das Kind schläft so gut wie. Kannst kommen“, schrieb ich meiner Freundin erleichtert und begrüßte meinen Mann, der gerade nach Hause gekommen war.
Doch kaum hatte ich das Babyphone eingestellt, melde sich Krumpfz zurück. Er war wieder wach geworden und weinte. Also zurück ins Schlafzimmer. Ich legte mich wieder neben sein Babybay und hielt seine kleine Hand in meiner, während er zurück in den Schlaf fand. Währenddessen kehrten meine Zweifel zurück. Vor meinem inneren Auge sah ich meinen Mann panisch meine Handynummer wählen und mich vor dem versammelten Publikum aus dem Veranstaltungssaal hinaus in die Kälte und zu meinem Sohn eilen…
Als Krumpfz schließlich wieder tief atmete, wagte ich einen neuen Anlauf und ließ ihn allein. Es war kurz nach sechs und meine Freundin musste jeden Moment kommen – also sprang ich schnell ins Badezimmer und tausche meine praktischen Mama-Klamotten gegen weiße Bluse und enge Hose.
Glücklich, im Zeitplan zu liegen, kehrte ich ins Wohnzimmer zurück, setzte mich zu meinem Mann aufs Sofa – und hörte über das Babyphone, wie Krumpfz wieder zu weinen anfing. Schnell entledigte ich mich meiner Bluse und sprang zurück ins Schlafzimmer. Da lag der Kleine und schrie nun richtig. Ich zog ihn an mich heran und tröstete ihn. „Oh nein, er merkt, dass ich wegwill!“, dachte ich und fühlte mich wie eine Betrügerin.
Draußen begrüßte derweil mein Mann meine Freundin und ich hörte durch die Wand, wie sich die beiden im Wohnzimmer unterhielten. „Wenn es gar nicht geht, müssen die beiden eben zum Comedy-Duo gehen“, sagte ich mir leise, um mir den Druck zu nehmen. Es gelang mir nicht.
„Hoffentlich hat mein Handy im Saal auch Empfang“, war mein nächster Gedanke und ich malte mir aus, wie ich den Veranstalter vor Ort um die Festnetznummer des Saales fragen würde, damit mein Mann dort im Notfall Alarm schlagen könnte.
Schließlich machte ich mich abermals von Krumpfz los – und fühlte mich in diesem Moment wie eine Rabenmutter. „Jetzt reiß dich mal zusammen!“, mahnte mich mein Verstand. „Du wolltest doch immer deine Freiheiten wahren, jetzt hast du die Chance dazu!“
Inzwischen war mein Zeitplan total im Eimer – als ich meine Freundin begrüßte, wollte ich längst mit ihr auf dem Weg zum Veranstaltungsort sein. Also schlang ich noch schnell etwas zu essen herunter (eine Kompetenz, die man mit Baby perfektioniert!) und warf mich abermals in meine Bluse, bevor wir leise und auf Zehenspitzen die Wohnung verließen.
Auf dem Weg zum Comedy-Abend fühlte es sich an, als würde ein unsichtbares Gummiband mich zurück zu Krumpfz ziehen. Ich ignorierte das Gefühl und hörte den beruhigenden Worten meiner Freundin zu, die die Kompetenzen meines Mannes als Vater hervorhob.
Im Saal angekommen schickte ich ein paar stille Dankesworte an meinen Mobilfunkanbieter, der offensichtlich auch diesen Ort mit Netz gesegnet hatte. Ich stellte mein Handy auf Vibration und legte es direkt vor mich – nicht jedoch, ohne meinem Mann den (total überflüssigen) Ratschlag zu schicken, dass er Krumpfz bei einer Schreiattacke ja auch ins Tragetuch einbinden könne.
Tatsächlich blieb den ganzen Abend der von mir befürchtete Notruf aus. Und während ich unter Tränen über einen Sketch lachte, war ich tatsächlich für einen Moment frei.
Als ich später nach Hause kam, fand ich dann meinen Mann und Krumpfz friedlich nebeneinander im Schlafzimmer liegen. „Siehste, sag ich doch“, sagte mein Verstand. „War doch gar nicht so schwer! Man muss es nur wollen!“ Und ich verdrehte die Augen. Mit einem Grinsen.